Canetti

Agronomische und qualitative Eigenschaften

CANETTI ist eine Schlangenbohne mit robustem Wuchs für die Kultur im Gewächshaus oder Folientunnel über Sommer. Das Laub ist vignatypisch lockerer als bei den Gartenbohnen der Gattung Phaseolus, jedoch für eine Sorte der Gattung Vigna kräftig. Die Blattspreiten sind zum Licht hin gut ausgebreitet. Die Entwicklung ist mittelfrüh. In der Züchtung an einem kühlen Nordstandort konnte CANETTI mit einem regelmäßigen, zuverlässigen Wachstum punkten. CANETTI bildet hübsche, sich etwas kringelnde, 50-60 cm lange und ca. 20 g schwere Fisolen. Mit ihrer hellgrünen Hülsenfarbe und langen, abstehenden Blütenstengeln sind sie deutlich vom Laub abgesetzt und leicht zu beernten. CANETTI eignet sich hervorragend als Wok- oder Bratbohne und hebt sich geschmacklich durch kartoffelartige, säuerliche Noten von der Gartenbohne ab. Die Ernte sollte wie bei allen Bohnen regelmäßig erfolgen, möglichst alle 2 Tage. Erntebeginn ist nach ca. 70 Tagen mit einem Erntefenster von 4 Wochen. Der Ertrag pro Pflanze liegt zwischen 210 und 370 g (auf schwachem Boden bei 2 kg/qm). Der Bestand muss – ähnlich wie bei Schlangengurken – regelmäßig befeuchtet werden, um Spinnmilbenbefall zu vermeiden. Die Kulturführung am Sisalnetz wird empfohlen.

  • Besonderheit der Bohne

    In der asiatischen Küche werden Schlangenbohnen der Gattung Vigna in zahlreichen Wok-Gerichten verwendet. Dabei werden die Bohnen kurz angebraten, aber nicht gekocht. Diese Art der Zubereitung warf Fragen nach der inhaltstofflichen Zusammensetzung der Vigna-Bohnen im Vergleich zu Gartenbohnen auf. Gartenbohnen enthalten das Protein Phasin, das zu Verklumpungen im Blut führt, sowie die für den Menschen ebenfalls toxische Blausäure. Der Verzehr von 1 bis 2 mg Blausäure je kg Körpergewicht führen zu Vergiftung. Eine Untersuchung des Labors J. Heinlein 2018 ergab bei CANETTI einen Blausäuregehalt von 1,6 mg/kg, bei der Referenzsorte TREBONA der Gattung Phaseolus lag der Gehalt bei 1,0 mg/kg an den frischen grünen Fisolen. Gebraten in der Pfanne oder im Wok kann Blausäure ggf. nicht vollständig abgebaut werden. Um sicher zu gehen, sollte CANETTI abgekocht werden. Durch das Kochen löst sich die Blausäure und kann mit dem Kochwasser abgeschüttet werden.

    Bei Phasin geht man von einer viel stärkeren Toxizität aus. Bei 80 °C wird Phasin abgebaut. Mit einem von der Firma BioTeSys im Jahr 2017 durchgeführten empfindlichen Haemagglutinierungsassay konnte bei CANETTI im Gegensatz zu TREBONA keine haemagglutiniernde Einheit detektiert, also keine blutverklumpende Wirkung festgestellt werden. Dieses erfreuliche Ergebnis ist allerdings nicht uneingeschränkt aussagekräftig. 

    Eine Rohproteinbestimmung nach Kjeldahl (durchgeführt durch die LUFA Nordwest) schloss sich als Fragestellung an. Mit 24,7 % [TM] hatte CANETTI einen vergleichsweise hohen Rohproteingehalt. Die Referenzsorte TREBONA lag bei 19,2 % [TM]. Laut Literatur liegen die Werte für Bohnensamen bei 16 - 28,2 %, Soja bei 38 % und Getreide bei 10,4 %. Der mengenmäßige Rohproteinwert gibt jedoch nicht das Verhältnis der Aminosäuren bzw. den Gehalt der für den Menschen essenziellen Aminosäuren wieder.

  • Züchtungsgang

    Projektziel war es, Kulturen zu finden und züchterisch zu bearbeiten, die eine Verbesserung der Fruchtfolge und eine Vielfalt im geschützten Anbau unterstützen und andererseits ernährungsphysiologisch dem steigenden Bedarf an pflanzlichem Eiweiß gerecht werden. Bohnen der Gattung Vigna waren in Europa schon einmal heimisch, wurden aber durch Phaseolus-Arten verdrängt. 

    Leider standen zu Beginn der züchterischen Aktivitäten am Standort Wallhöfen weder zur Kulturführung noch zur Verarbeitung von Vigna-Bohnen ausreichende Untersuchungen zur Verfügung. Des Weiteren war das Interesse von Seiten des Saatguthandels und der Vermarktung gering und es bestanden Bedenken zur Wirtschaftlichkeit der Kultur im Ökologischen Landbau.

    Im Jahr 2010 wurde eine erste Sichtung von 2 Marktsorten und 11 Genbankakzessionen durchgeführt. Die Herkünfte stammten aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Italien, Georgien, Kasachstan, Indien/Pakistan, China, Amerika, (Thailand). Zum Vergleich wurden Stangenbohnen der Sorte Trebona angebaut.

    Bis 2017 wurden insgesamt 22 Herkünfte und Sorten geprüft, teilweise züchterisch bearbeitet, sodass sich über die Jahre 5 Favoriten herauskristallisierten, von denen einer den Weg bis in den Handel geschafft hat. Auf dem extremen Züchtungsstandort Norddeutschland mit leichten Böden und kaltem Frühjahr zeigte sich das enorme Anpassungsverhalten der Vigna-Bohne deutlich. Es wurden Einzelpflanzen mit Augenmerk auf Frühzeitigkeit der Fisolen selektiert, was zu deutlichen Züchtungsfortschritten bei diesem Selbstbefruchter führte. Canetti geht auf eine Nachkommenschaft aus dem Jahr 2011 zurück, und zwar ursprünglich einer Herkunft der Firma Dürrsamen. Selektionsanbau und Samenbau fanden während der gesamten Entwicklungszeit unter zertifiziert biologisch-dynamischen Bedingungen im Gärtnerbetrieb Kronacker und Maassaaten statt. Die Bestände waren am Anfang der Sortenentwicklung etwa 10 qm groß und dehnten sich auf bis zu 100 qm in den letzten Jahren aus. Zwischen 2012 und 2017 wurde teils anfänglich positive Massenauslese betrieben, teils später mit Einzelpflanzen-Nachkommenschaft weitergearbeitet. 

    Bei der Etablierung der Kultur traten zwei große Hindernisse auf. Die eine Schwierigkeit war die feste Vorstellung der Gärtner, dass Bohnen trocken kultiviert werden. Vigna-Bohnen können jedoch unter ähnlichen Bedingungen wie Schlangengurken wachsen. Es handelt sich also eher um eine Feuchte liebende Kultur, wobei sie hitzeverträglicher ist, aber zugluftempfindlich. Ein trockener Anbau sagt ihr nicht zu. Bei guter Kulturführung auf eher schwachen Böden wurden bei Untersuchungen 2014 Erträge zwischen 1,4 und 2,5 kg/qm erzielt.

    Die zweite Schwierigkeit war, dass Vigna-Bohnen zwar attraktive, sehr lange Fisolen bilden und damit sehr schnell zuzubereiten sind, aber einen völlig anderen Geschmack aufweisen als die uns bekannten Phaseolus-Arten. Vigna-Bohnen schmecken eher kartoffelartig bis säuerlich. Durch den Kontakt zu Una Wiener, creative director bei Frau Sarah Wiener, entstanden vielfältige, kreative Rezepttipps für die junge, schnelle Küche.

    Vigna-Bohnen sind im Artenverzeichnis zum Saatgutverkehrsgesetzt nicht aufgeführt und sind daher nicht anmeldepflichtig. CANETTI ist seit 2017 im Handel. Die Erhaltungszucht findet durch Annette Maaß statt. Die Organisation der Vermehrung und der Vertrieb des Verkaufssaatguts obliegen u. a. der Bingenheimer Saatgut AG.


Rechtlicher Status: Eine behördliche Zulassung ist bei dieser Kultur nicht erforderlich, da sie nicht im Artenverzeichnis zum Saatgutverkehrsgesetzt aufgeführt ist.

Saatgutanbieter: Bingenheimer Saatgut AG

Züchterin: Annette Maaß



Sortenbiografie